Landgericht München: Verhandlung Derivateaffäre
"Sie müssen mir schon sagen, was sie wollen."
(Zitat vorsitzende Richterin, gerichtet an die Klägerin)
Nach Vorbereitungen von mehr als einem Jahr wird die
Verhandlung zur Derivateaffäre nach kurzer Verhandlung auf Antrag der
Klägerin - der Stadt Landsberg - auf den 08.10.2013 vertagt. Die
vorsitzende Richterin kann anhand der vorgelegten Anklageschrift nicht
erkennen, was die Klägerin eigentlich will und vertagt auf Antrag der Klägerin(!) auf Oktober.
Die Derivateaffäre und kein Ende. Die heutige (04.06.2013) Verhandlung
vor dem Landgericht München zwischen der
Stadt Landsberg am Lech (Klägerin) und dem
Bankhaus Hauck &
Aufhäuser (Beklagter) nahm einen kuriosen Verlauf.
Die Klägerin war vertreten durch den Oberbürgermeister und die Justiziarin
sowie zwei Rechtsanwälten. Der Beklagte war nur mit einem
Rechtsvertreter erschienen.
Vergleich?
Die vorsitzende Richterin lotete zuerst die Möglichkeit eines
Vergleichs (Mediation) aus. Die Klägerin führte aus, sie
hätte dies bereits versucht. Dies sei aber von dem Beklagten
"brüsk" zurückgewiesen worden. Der Beklagte zeigte sich
prinzipiell zu einem Vergleich bereit. Nachdem die Richterin
andeutete, dass der Fall "alles andere als klar" sei, und es gute
Gründe für die Rechtsposition beider Seiten
gäbe, zog sich die Klageseite zu einer kurzen Beratung
zurück. Als Ergebnis erklärte der Oberbürgermeister,
dass er aufgrund der Bedeutung der Derivateaffäre
("Gesellschaftspolitische Brisanz") eine richterliche Entscheidung
bevorzuge. Ein Vergleich käme nur in Frage, wenn der Stadt
mindestens 80% des Schadens ersetzt werden würde. Das sei auch
Beschlusslage des Stadtrats. An dieser Aussage entzündete sich
dann eine längere Diskussion über die tatsächliche
Höhe des Schadens. Ohne genaue Kenntnisse der Details ist es
nicht möglich, hier ein fundiertes Urteil zu den Aussagen
abzugeben. Die Forderung nach mindestens 80% Schadensersatz
führte bei dem Beklagten dazu, einen Vergleich nun seinerseits
abzulehnen, da die Forderung so nicht akzeptabel sei. Also kein
Vergleich.
Rechtserörterung
Im Rahmen der Rechtserörterung wurde immer
deutlicher, dass die Klägerin ihre Hausaufgaben trotz einer über
einjährigen Vorbereitungsphase nicht gut gemacht hat:
- Die Beratung erfolgte durch die Hauck & Aufhäuser
Finance Consulting GmbH, angeklagt wurde aber die
Hauck & Aufhäuser KGaA.
Die Richterin machte deutlich, dass es höchstrichterliche
Entscheidungen gebe, die unter diesen Umständen eine
Beratungspflicht der Mutter (KGaA) und damit die
Schadensersatzpflichtigkeit der Mutter verneinen würden.
- Die Verjährung von drei Jahren könne nur durch arglistige
Täuschung gestoppt werden.
Die Richterin ließ klar erkennen, dass
sie den Vorwurf der arglistigen Täuschung für unbegründet
hält. Bestenfalls sei der Vorwurf des negativen Marktwertes
angemessen, also auf gut Deutsch, dass der Beklagte wusste, dass er
der Klägerin einen wirtschaftlichen Schaden zum Zwecke der
Gewinnerzielung zufügen würde.
- Die Höhe des Schadens kann von der Klägerin nicht genau beziffert
werden.
Der Richterin war nicht klar, wie hoch denn nun die angebliche
Schadenshöhe ist. Die Anklageseite konnte dieselbige nicht genau darlegen
und zeigte sich überrascht, dass bei einer Rückabwicklung der
Swaptions die Swaps gültig bleiben, und dadurch dann
Rückzahlungen der Stadt an die Bank in Höhe von ca. 900.000,--
Euro ausgelöst werden würden.
- Die eigentlichen Swaps seien "einfach strukturiert", so die
vorsitzende Richterin, "so dass sogar eine Richterin sie verstehen
könne".
Dann sollte sie ein Kämmerer eigentlich auch verstehen
können, so lautet wohl die Botschaft des hohen Gerichts.
Sinnforschung
Am Ende machte die vorsitzende
Richterin deutlich, dass ihr nicht klar sei, was die Klägerin nun
eigentlich genau mit der Klage erreichen wolle:
- Rückabwicklung nur der Swaptions?
- Rückabwicklung aller Derivategeschäfte einschließlich der Swaps?
- Auf welcher Rechtsgrundlage?
- Schadenersatzforderung gegen die GmbH?
- Schadenersatzforderung gegen die KGaA?
- Gegen beide?
Vertagung
Sie erwarte jetzt deshalb klare Ansagen von der Anklageseite in Form
eines entsprechenden Antrags. Nach einigem Hin und Her und nach einer
weiteren Beratungspause räumte die Anklageseite ein, dass sie
mit der Formulierung eines Antrags in so kurzer Zeit
überfordert(!) sei und beantragte deshalb die Vertagung des
Verfahrens. Die Beklagtenseite hatte nichts dagegen. Die Richterin vertagte daraufhin das
Verfahren. Nächster Termin im Oktober, wenn alle wieder aus dem
Urlaub zurück sind...